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1. Juni 2021

Clubleben, virtuell

Wie findet eine Sektionssitzung in diesen Zeiten eigentlich statt? Prof. Philipp Thesen, ADC Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der Sektion Düsseldorf gibt Einblick in das letzte Treffen: Ganz corona-konform fand der Austausch nur virtuell statt: dafür aber mit spannenden Gästen, wie Lars Harmsen, Herausgeber von Slanted, und Innovationsexperte Karel Golta. Mit beiden diskutierte die Sektion Düsseldorf zum Thema KI.

Ihr habt in der vergangenen Sektionssitzung Düsseldorf mit Lars Harmsen und Karel Golta zu KI diskutiert. Lars Harmsen ist Professor für Konzept, Layout und Typografie an der FH Dortmund und Herausgeber des Typografie- und Designmagazins Slanted. Karel Golta ist Innovationsexperte und hat unter anderem das Buch „The AI Toolbook“ verfasst. Sind ihre Ansätze zu Künstlicher Intelligenz so unterschiedlich wie ihre Lebensläufe vermuten lassen?

Philipp Thesen: „Ja, zunächst schon. Allerdings ging es in der Diskussion weniger um die persönlichen Ansätze, als um die Frage, welche Relevanz KI für Designer und Kreative hat. Das ist ja für uns das entscheidende Thema. Lars präsentierte eine Vielzahl von Projekten aus Mode, Werbung, Grafik, Film und Kunst, die er für die neue Ausgabe von Slanted recherchiert hat. Alle Projekte hatten gemein, dass sie mit Hilfe von KI-Technologien erstellt wurden. Sie sind eher als phänomenologische Untersuchung einer generativen Ästhetik zu verstehen als eine persönliche Haltung zu KI.

Karel hingegen betrachtete das Thema aus wirtschaftlicher und sozialer Perspektive und präsentierte ein AI-Framework. Dieser AI-Planner könnte den Zugang zu KI-Technologien demokratisieren und so dazu beitragen, globale Probleme wie die soziale Ungerechtigkeit oder den Klimawandel mit Hilfe neuer Technologien zu lösen. Das Framework ist dabei ein Impuls zur Handlung und zielt auf eine Prozessinnovation ab. Beides war spannend.“

Ist KI ein „over-hyped buzzword“? Oder was hat die Diskussion darüber gezeigt?

Philipp Thesen: „Ja, das ist es. Aber KI betrifft uns alle und Kreative in besonderem Maße. Die Vorstellung davon, was KI ist und wie diese Technologie in unserem Alltag stattfindet, wird auch von den Kreativen und ihrer Arbeit in Werbung, Kunst und Design entscheidend geprägt.

Auf der einen Seite verstärken Designer die durch KI entstehende generative Ästhetik in ihrer Gestaltung und haben einen unmittelbaren Einfluss darauf, wie diese in der Gesellschaft wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite kommt den Designern die Aufgabe zu, die Technologien für den Menschen beherrschbar zu machen und Anwendungen zu gestalten, bei denen der Mensch im Mittelpunkt der Entwicklung steht. Das betrifft die Konzeption von Use Cases, die Gestaltung von Interfaces und die prozessuale Integration von Human Factors in der Industrie. Kreative sind also Nutzer und Katalysatoren neuer Technologien und daher ist der Diskurs darüber Pflicht!“

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The AI Toolbook

Kannst Du uns einen kleinen Einblick in die Sektionssitzungen geben? Worüber wird auf solchen Treffen gesprochen?

Philipp Thesen: „Im Mittelpunkt steht die inhaltlich Auseinandersetzung. ADC Mitglieder der Sektion aber auch externe Gäste geben Einblicke in kreative Projekte, Forschungsergebnisse, aber auch Technologie-Präsentationen. So haben wir während der letzten Sektionstreffen z.B. ein Tech-Briefing von der CES Las Vegas auf dem Programm gehabt, genauso wie eine Vorstellung des Gründerteams des neuen „Grafikmagazins“. Und ganz wichtig: auf den Sektionssitzungen findet auch die Aufnahme neuer Bewerber*innen für den Club statt. Bevor die Sektion über die Aufnahme entscheidet, stellen diese ihren Werdegang und ihre Arbeiten vor, was (fast) immer sehr bereichernd ist.

Besonders spannend sind die behind-the-scenes Präsentation der Mitglieder. Hier geben ADC Mitglieder sehr persönliche Einblicke in ihre Projekte und verraten ehrliche, wertvolle und teilweise sehr amüsanten Details, die im Case-Film garantiert nicht vorkommen.“

Die ADC Sektion Düsseldorf
Prof. Philipp Thesen / ©Marina Weigl

Warum ist das für den ADC so wichtig?

Philipp Thesen: „Der ADC lebt vom inhaltlichen Diskurs: über Kreativität, über Neues, über Zukunft. Gerade das letzte Sektionstreffen hat gezeigt, wie relevant dieses Gespräche sind. In der Diskussion um KI steht schnell auch die Entwertung des Berufs im Raum. Wenn Fotos, Bewegtbild, Illustrationen, sogar Drehbücher durch Maschinen generiert werden, wo liegt dann die Zukunft des Kreativen? Das wirft immer die Frage auf, was Kreativität eigentlich ist und welche Rolle Kreative in Zukunft einnehmen werden.

Für mich persönlich ist die Antwort dabei klar. Ich denke, das Aufgabenspektrum der Kreativen wird vor dem Hintergrund einer zunehmend komplexen Umwelt wohl deutlich über die klassische Tätigkeitsfelder hinausgehen. Bei den professionellen Kompetenzen von Designern geht es um „Praktiken der Innovation“, also weniger um die Formgebung von Objekten oder kommunikativen Fragestellungen, sondern um Lösungen für komplexe Herausforderungen wie soziale Innovationen, Services, Prozesse und Systeme. Die Zukunft der Profession und der Diskurs darüber sind für mich daher die zentralen Frage des Clubs überhaupt!“