ADC Kreativranking 2024 – SERVICEPLAN auf dem ersten Platz
Der Art Directors Club für Deutschland (ADC) veröffentlicht sein jährliches...
Das Herz von BLUT schlägt für Sounds. Timo Blunck (Creative Director bei BLUT Conceptual Audio Design), Michael Robb (Head of Production bei BLUT Bespoke) und Robert Hosp (Managing Director von blutjung) erzählen, wie sie selbst fiktive Geräusche zum Leben erwecken und was das Medium Sound im 21. Jahrhundert so besonders macht.
Was kann ein Game wie „Pathways“ dazu beitragen, Menschen für die europäische Idee zu begeistern?
Robert: Vor allem die heutige Generation Z erlebt das europäische Friedensprojekt und die damit verbundene Reisefreiheit vielleicht als etwas selbstverständliches. Dabei wird die Europäische Union durch Krisen wie Corona oder populistische Strömungen stärker denn je auf die Probe gestellt. Bildung, die ein Verständnis für die Vorzüge der europäischen Idee vermittelt, ist daher elementar. Das muss natürlich vor allem in den Schulen passieren, aber Apps wie Pathways können dabei helfen, spielerisch an das Thema heranzuführen.
Timo: Um die Idee Europa zu verstehen, muss man zunächst den Platz Europa begreifen, ihn erleben. Und wenn das Begreifen nicht physisch, also durch Reisen möglich ist, gibt es mit dem virtuellen Trip eine gute Möglichkeit, verschiedene Orte zu erfahren. Die dabei fehlende Haptik kann auch durch eine intensive, immersive Akustik ausgeglichen werden. Die Klänge der verschiedenen Schauplätze ziehen den User tiefer in das Spiel und verstärken die Emotionalität dieser Experience. Diese Gefühle werden erinnert und laden die Idee Europa positiv auf.
Und wie klingt Europa?
Timo: Einige Menschen verbinden Europa musikalisch vielleicht mit Beethovens Ode an die Freude, der offiziellen Hymne der Europäischen Union und des Europarates, aber aus unserer Sicht gibt es nicht diesen einen Sound oder die eine Komposition, die für Europa steht. Europa klingt so vielschichtig, wie die einzelnen Nationen, ja sogar Regionen, die ihr angehören. Man muss sich nur den Eurovision Song Contest anschauen, um zu hören, wie unterschiedlich die Geschmäcker in den einzelnen Ländern sind. Hinzu kommen die vielen lokalen Sounds des täglichen Lebens, die Glocken der Ziegen, die Zweitaktmotoren, Straßenbahnen, die vielen verschiedenen Sprachen, die gesprochen werden.
Michael: Genau das ist der Klang Europas – die Vielfalt! Diese Vielfalt einzufangen, ohne dabei in Klischees abzudriften, war eine der großen Herausforderungen bei der Audioproduktion für Pathways.
Der Begriff Immersion beschreibt, wie tief wir als Spielende in das Erlebnis hineingezogen werden. Welche Rolle spielen Klänge in diesem Zusammenhang?
Timo: Der Mensch lebt durch seine Sinne. Um 360 Grad zu erleben, bedient er sich nicht nur der Augen. Er riecht, fühlt, schmeckt, sieht und hört. Mit dem Riechen, Tasten und Schmecken tut sich die digitale Welt noch schwer, aber das Hören bekommt sie schon sehr gut hin, auch in 3D. Das Gehör wird oft als sekundäres Sinnesorgan empfunden, aber ich finde damit tut man ihm unrecht. Der Mensch hört schneller als er sieht und reagiert deshalb sehr viel direkter auf akustische Signale, auch emotional. Dies erfolgt oft unbewußter als durch das visuelle Empfinden, wird also weniger hinterfragt als der bildliche Eindruck. Dies erzeugt stärkere Immersion.
„Der Klang Europas entsteht aus seiner Vielfalt.“
Wie fängt man einen Ort auditiv ein?
Michael: Recherche, Recherche, Recherche. Wie klingt eine Straßenszene? Cafés, Lieferwagen, Mopeds, Stimmengewirr, Kirchenglocken, Brunnen, Flüsse, Marktschreier, Kinderlachen. Von wo kommt welcher Sound? Wie wichtig ist Musik? Gibt es typische Musik und hat diese was mit den Protagonisten zu tun? Wird sie im täglichen Zusammenhang erlebt? Straßenmusiker, Radios, Pfeifen, Singen. Wie klingt die Sprache, auch wenn man kein Wort versteht. Jeder europäische Dialekt hat einen eigenen Rhythmus, eine Melodie. All dies muss man erforschen, sammeln und den jeweiligen Orten und Szenen zuordnen.
Ist Sound politisch?
Timo: Heute ist alles politisch. Wir leben in derartig polarisierten und thematisch aufgeladenen Zeiten, kein einzelnes Gewerk kann sich dem Sog des Geschehens entziehen. Erst recht keine Sinneswahrnehmung. Von der Dauerbefeuerung von Moving Images (mit Sound!) durch Social Media und TV, zu den Klängen von Demonstrationen, Schlachtrufen und politischen Liedern – Sound macht da keine Ausnahme. Sprache ist Klang, und damit einer der Haupttransporteure für politische Messages.
Hoffentlich können wir in naher Zukunft wieder unbeschwert reisen. Gibt es einen Ort in Europa der für Sound-Enthusiasten wie euch besonders interessant ist?
Timo: Architektur bedingt Klang. Kirchen, aber auch Konzerthäuser oder Bahnhöfe. Jeder Raum hat einen Sound, und somit gibt es in jeder europäischen Stadt interessante Dinge zu entdecken. Aber es ist nicht nur der Ort, es ist auch die Jahreszeit. Je mehr Menschen sich draußen befinden, desto interessanter wird es für einen Sounddesigner, weil sich so viele verschiedene Klänge mischen.
„Die Herausforderung liegt darin, die Zuhörer zu überzeugen, dass dieser Sound der Realität entspricht.“
Robert: Wie Timo schon sagt, jede europäische Stadt hat mit ihrer Architektur, ihrer Räumlichkeit, der jeweiligen Sprache etc. ihren eigenen interessanten Sound. Wer dieses Jahr nicht verreisen möchte oder kann, aber trotzdem soundlich in andere Städte abtauchen will, kann dies beim City and Memories Projekt von Stuart Fowkes tun. Er sammelt Field Recordings aus der ganzen Welt, die einem einen auditiven Eindruck der jeweiligen Region vermitteln.
Welches Geräusch ist besonders schwer zu erzeugen?
Robert: In erster Linie Sounds, die es gar nicht gibt. Ein beschleunigendes E-Auto erzeugt zum Beispiel an sich keinen besonders spannenden Sound, aber man hat als Komponist vielleicht eine coole Idee, wie man diese Bewegung zum Klingen bringen könnte. Die Herausforderung liegt dann weniger im Erzeugen des Geräusches/Sounds sondern vielmehr darin, die Zuhörer zu überzeugen, dass dieser Sound der Realität entspricht.
Michael: Auch bei Pathways standen wir vor so einem Problem: Ein Blatt, das nahezu bewegungslos in der Luft schwebt, erzeugt keinen wirklichen Sound – mithilfe eines Synthesizers haben wir dann schließlich einen Sound gefunden, der das Gesehene mit dem Hörbaren in einen für das Gehirn sinnvollen Zusammenhang bringt.
Was würdet ihr gerne mal vertonen?
Michael: Einen Science Fiction Blockbuster à la Interstellar – dort wimmelt es nur vor solch nicht existierenden Sounds.
Was macht das Medium Sound so besonders?
Michael: Sound hat die Fähigkeit, ein Bild völlig anders wirken zu lassen. Ein Kunde hat uns letztens gesagt, dass das Bild für ihn immer so flach gewirkt hat, bis das Sounddesign dazu kam. Für ihn war alles dann sofort 3D, obwohl nichts am Bild geändert wurde. Musik kann die Emotionalität und Authentizität von Bewegtbildern und Geschichten stark beeinflussen.
„Ob Kunst oder nicht, liegt am Ende wie so oft im Ohr des Betrachters.“
Wie wird aus Geräuschen Kunst?
Robert: Aus meiner Sicht bedarf es immer eines Zusammenspiels. Schon die Aneinanderreihung und Kombination einzelner für sich genommen abstrakter Geräusche kann Kunst ergeben. Ein Beispiel wäre hier Lou Reeds Album Metal Machine Music, das als eines der Wegbereiter für das Noise Genre gilt. Oder wenn abstrakte Klänge mit anderen Künsten und Medien zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen. Ob das Produkt dann am Ende aber wirklich als Kunst wahrgenommen wird, liegt – wie so oft – im Ohr des Betrachters.
Gibt es Klang-Klischees die ihr versucht, zu vermeiden?
Timo: Es gibt bestimmte Foley-Library-Sounds, die man immer wieder hört und die für mich absolute No-Gos sind, zum Beispiel das immer gleiche Kinderlachen, die fauchenden Schwerthiebe oder bestimmte Schreie (legendär hier übrigens der „Wilhelm Scream“). Wo auch immer es geht, versuchen wir unsere Klänge selbst zu erzeugen und bewahren so Originalität auch bei den O-Tönen.
Michael: Dem sind eigentlich nur noch Hollywood „Swooshes“ hinzuzufügen!
Was ist das Besondere an Blut? Was zeichnet euch aus?
Robert: Zum einen ist das sicherlich die Leidenschaft und der Ehrgeiz mit der jeder einzelne in unserem Team jedes Projekt – sei es für Nike oder einen Hygieneartikel-Hersteller – angeht. Egal ob wir pro bono die Abschlussarbeit eines Absolventen der Filmakademie vertonen oder auf einer Multimillionen Euro- Kampagne eines Autoherstellers arbeiten: Den höchsten Anspruch an unsere Arbeit haben immer wir selbst und kennen im Projektverlauf kein „das geht nicht“. Und dann denke ich, dass wir mit unseren festangestellten Komponisten und Sound-Designern, der eigenen Sprecherkartei, einem eigenen Studio für den Final Mix, unserer Sound Branding Unit Conceptual Audio Design und der eigenen Künstleragentur blutjung mit angeschlossenem Label, den Audio Aspekt jedes Projektes ganzheitlicher angehen können als viele unserer Mitstreiter.
Wie sieht eure Arbeit aus? Reicht dafür ein gutes Paar Ohren?
Robert: Die sind zumindest schon mal ein guter Anfang. Ein gutes Gespür für das Zusammenspiel von Musik und Bild und eine seit Kindheitstagen vorhandene, große Leidenschaft für Musik teilen alle Mitarbeiter bei BLUT. Dieser Leidenschaft findet sich in einer jeden Biografie: sei es als Gründer einer Punk Rock Band im Niemandsland von Australien, wie unser Head of Production Michael Robb, als angesagte Goa DJane auf der Fusion, wie unsere Labelchefin Kim Meyer, als jugendlicher Neue Deutsche Welle Star, wie unser Creative Director Timo Blunck. So unterschiedlich unsere Biografien in Bezug auf die Musik sind, so unterschiedlich sind zum Teil auch unsere Rollen innerhalb der Firma.
„Ich sehe den Begriff Hype positiv wie auch skeptisch.“
Bei blutjung vermittelt ihr junge Musiker*innen aus ganz Europa. Wie seid ihr dazu gekommen?
Robert: Gestartet ist das ganze vor fast vier Jahren, als wir gemeinsam mit der Agentur Grabarz & Partner für eine globale Kampagne von Volkswagen und Beats by Dre aufstrebende Hip Hop-Künstler aus der ganzen Welt gecastet haben. Das Projekt gewann zahlreiche Preise – unter anderem auch beim ADC – und im Anschluss trudelten zahlreiche künstlerbezogene Anfragen bei uns ein. Wir haben dann aber relativ schnell festgestellt, dass das Potential, das eine Zusammenarbeit mit einem aufstrebenden Künstler mit sich bringt, nur in den seltensten Fällen optimal ausgeschöpft wird. Häufig steht einzig und allein das Produkt, also der jeweilige Song, im Mittelpunkt des Interesses. Der dahinterstehende Künstler, sein Image, die dazugehörige Fanbase oder weitere ungenutzte Potentiale die zum Beispiel durch die Reichweite der Social Media Channels des Künstlers entstehen, wurden und werden noch immer viel zu wenig beachtet. Bei blutjung versuchen wir Marken und Agenturen diese ungenutzten Potentiale aufzuzeigen und sie mit Künstlern zusammen zu bringen, die zu ihrer Kampagnenidee passen.
Ist Hype inzwischen eine eigene Währung geworden?
Timo: Hype ist für mich vornehmlich ein journalistischer Begriff. Ich denke dann immer an Public Enemy „Don’t believe the hype“. Wenn etwas in den Medien zu sehr aufgeblasen wird, werde ich skeptisch. Deshalb ist ein Hype-Act oder sein Produkt/Song/Image meines Erachtens für eine Marke problematisch.
Robert: Ich sehe den Begriff Hype positiv wie auch skeptisch. Klar, grundsätzlich gilt in der Werbung wie auch im Musikbusiness: Aufmerksamkeit ist gut und viel Aufmerksamkeit, für die ein Hype ja steht, ist besser. Aber man muss vorsichtig sein. Eine große, aber dafür vielleicht oberflächlich erzeugte Aufmerksamkeit ist in manchen Fällen weniger Wert, als eine Aktion mit geringerer Reichweite, die dafür ein hohes Maß an Authentizität aufweist und viel Resonanz erzeugt.
Gibt es Projekte, auf die ihr euch in Zukunft besonders freut?
Michael: Wie das bei uns in der Werbung nun leider mal so ist, darf man über laufende oder anstehende Projekte meistens nicht viel sagen. Aber es gibt da schon zwei, drei Kampagnen, bei denen wir uns das Airdate herbeisehnen, da viel Schweiß und Herzblut in die Produktion geflossen ist, und wir sehr stolz auf das Endergebnis sind. Ansonsten arbeiten wir gerade an einem sozialen Projekt für die Organisation „Inklusion muss laut sein“ und freuen uns sehr, ein so tolles Anliegen unterstützen zu können.
„Wieso ist eigentlich keiner vor uns auf die Idee gekommen, eine Musikproduktion BLUT zu nennen?“, steht da auf der Agenturseite. Gute Frage. Schließlich ist das, was visuelle Medien lebendig macht, den Puls hochtreibt und Emotionen weckt, der Sound. Selbst Stummfilme wurden ihrerzeit mit Musik unterlegt. Welche Kraft in Klängen steckt das Team von BLUT verinnerlicht und schon für Marken wie Swisse, VW und Goretex umgesetzt. Mit blutjung vertreten sie außerdem internationale Künstler*innen – und helfen damit sowohl den Kunstschaffenden als auch den Brands, die durch sie den passenden Soundtrack für ihre Geschichten finden.
Mehr Infos zur Agentur hier: https://blut.audio/
Die Arbeit an „Pathways“ war selbst für die Klangkünstler von BLUT etwas Besonderes. Nicht nur, weil Pathways für die europäische Idee steht. Durch ihr Sounddesign prägen BLUT den immersiven Effekt, den das Spiel durch die Kombination aus Virtual Reality und Augmented Reality schafft: das Eintauchen in eine gesamteuropäische Geschichte, von Athen bis über den Polarkreis hinaus.
Alle Infos zur ADC Gaming-App „Pathways – Europe at Your Fingertips“
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