„So Future“ – Erfolgreicher Auftakt für den ADC Creative Club Hamburg
Mit rund 250 Besucher*innen und 8 Präsentationen von Talents, Live-Musik...
Geschichten erzählen, Menschen verstehen und sie begeistern: All das gehört zu den Aufgaben einer Texterin. Imke Jungnitsch hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und nun das ADC Europa Game Pathways mitgestaltet. Im Interview erzählt sie, auf welchen Wegen sie den Kontinent dabei neu kennenlernte – und welche Tipps sie in ihren Kreativworkshops selbst vermittelt.
Imke, du in drei Worten?
Storysammlerin, Sprachakrobatin, Ideencoach. Storysammlerin, weil ich gute Geschichten liebe und sie selbst gerne erzähle, beruflich und privat. Meine beste Inspiration sind dabei die Menschen, denen ich begegne. Ihre Erfahrungen und natürlich meine eigenen sind die Grundlage meines internen Kreativarchivs. Sprachakrobatin, weil ich als Texterin jeden Tag die Chance habe, unsere Sprache mitzugestalten, mit neuen Worten, Formulierungen und Ideen. Das empfinde ich als großes Privileg. Und Ideencoach, weil ich in unseren BOOST-Kreativworkshops gemeinsam mit meiner BOOST-Kollegin Nicole Hoefer-Wirwas zeige, wie man schneller auf bessere Ideen kommt und was Kreativität für das Team tun kann. Kreativworkshops im Bereich Text, Ideenfindung und kreative Strategien geben wir auch für den ADC, mit dem wir seit Jahren sehr gut und gern kooperieren.
Du bist Diplomkommunikationswirtin und hast Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert. Was bedeutet exzellente Kommunikation für dich?
Gute Kommunikation gibt eine Antwort – auf das, was sich die Zielgruppe wünscht, bewusst oder unbewusst. Gelungene Kommunikation hat viel mit dem Verstehen des „Gegenübers“ zu tun. In unseren BOOST-Workshops starten wir den Kreativprozess deshalb auch immer mit der Phase Understand bevor die Phasen Create, Dare, Check und Score folgen. Natürlich muss die „echte“ Antwort, die wir unserer Zielgruppe geben, kreativ kommuniziert werden, damit sie auch aufmerksam darauf wird. Kreativ heißt für mich neu und überraschend, ungehört und ungesehen, laut und mutig und manchmal auch polarisierend zu sein.
Was kann ein Serious Game aus deiner Sicht dazu beitragen, Menschen für die europäische Idee zu begeistern?
„Verstehen“ ist auch hier das Schlüsselwort. Pathways ermöglicht es uns, Europa mit den Augen anderer Europäer zu sehen und dabei neue Perspektiven zu entdecken. Pathways schafft damit mehr, als Argumente es je könnten – das Spiel lässt uns Europa direkt erleben. Wir erfahren, wie es sich anfühlt, in vielen Ländern gleichzeitig zuhause zu sein und vom kulturellen Reichtum der anderen Europäer zu profitieren.
„Ich habe mich in die Charaktere hineinversetzt, habe versucht, zu denken und zu fühlen wie sie.“
Die europäische Idee ist großartig. Sie sichert unseren Frieden und erweitert täglich unseren Spielraum und unsere Freiheit. Dies Europäern zu sagen, die nicht so begeistert von Europa sind wie ich, bringt jedoch wenig. Viel wirkungsvoller ist es, Europa und seine Chancen selbst durchzuspielen. In Pathways geht der Spieler auf diese Gedankenreise: So fühlt es sich an, wenn Du einfach woanders hinziehen kannst und dort arbeiten darfst, ein Stipendium wahrnimmst und Dich selbstverständlich mit Menschen aus 27 europäischen Ländern austauschst. Einer der Protagonisten erzählt auch, wie es früher war, als es noch Grenzen gab und lange Warteschlangen davor. Pathways verdeutlicht spielerisch, dass Europa nicht selbstverständlich ist. Wir müssen dranbleiben und immer wieder für die brillante europäische Idee kämpfen.
Ich habe die virtuelle Reise in Pathways zu einer besonderen Zeit gemacht. Als der Corona-Lockdown begann und die Grenzen geschlossen wurden, habe ich die Stimmen für dieses Spiel geschrieben. Während die Welt zuhause blieb, war ich unterwegs und erlebte in meinem Kopf die schönste Europareise. Das Spiel kommt genau zur richtigen Zeit: Wir sehen jetzt jeden Tag, wie wichtig der Zusammenhalt in Europa ist, auf allen Ebenen.
Welches sind die Keywords des Games „Pathways – Europe at Your Fingertips“ für dich?
Freiheit, Vielfalt, neue Chancen. Das Land der unendlichen Möglichkeiten ist ein Kontinent und heißt Europa.
Welches Gefühl ist besonders schwer allein durch Text, allein durch Sprache zu erzeugen?
Ich glaube, dass man jedes Gefühl auch allein durch Sprache und die richtigen Worte auslösen kann. Mit der Wort-Bildkombination geht es nur schneller. Um das Gefühl der räumlichen Umgebung wie zum Beispiel der Arktis und ihrer eisigen Kälte hier im Spiel zu vermitteln, bräuchte man ohne Bilder ungleich mehr Worte.
Der Begriff Immersion beschreibt, wie tief wir als Spielende in das Erlebnis hineingezogen werden. Welche Rolle spielen Text und Detailverliebtheit der Sprache in diesem Zusammenhang?
Details machen Dinge insgesamt anschaulich, konkret. Beim Wort „Pflanze“ hast Du keine konkrete Vorstellung, beim Wort „Rose“ schon. Darum geht es beim Texten: Das Kopfkino anzuwerfen und Bilder und Emotion mit Text zu erzeugen. Auch bei der Gestaltung der Protagonisten ist jedes Wort ein Pinselstrich am Charakter. Der erste Eindruck, die Optik und Gestik eines Menschen verraten viel über ihn. Seine Persönlichkeit entfaltet sich jedoch erst, wenn der Mensch spricht. Sprachliche Besonderheiten wie z.B. Lieblingsworte und bevorzugte Redewendungen, die regionale Einfärbung der Sprache und ihre Melodie machen die eigene Sprache aus, die jeder Mensch hat. Beim Entwickeln von Charakteren spielt die eindeutige Sprachpersönlichkeit eine große Rolle. Details machen den Charakter lebendig und authentisch. Die Sprache entscheidet, ob der Spieler sich wirklich angesprochen fühlt, ob die Figur für ihn zum Charakter wird, mit dem er sich identifizieren kann. Ob er die gleiche „Sprache“ spricht.
„Bei der Gestaltung der Protagonisten ist jedes Wort ein Pinselstrich am Charakter.“
Woher nimmst du die Inspiration für die Charaktere? Kommt es dir dabei entgegen, dass du in der Stadt Berlin lebst – jung, europäisch, hip?
Ich habe mich in die Charaktere hineinversetzt, habe versucht, zu denken und zu fühlen wie sie. Ich war gedanklich mitten auf der Akropolis, stand auf dem Bahnhof in Paris, war in Norwegen an Bord des Eisbrechers. Dafür habe ich viel recherchiert. Ich habe unzählige Filme und Interviews angeschaut, Blogs gelesen, Erfahrungsberichte, Reiseliteratur. Ich habe mit Menschen gesprochen, die aus den jeweiligen Ländern kommen und ihre Erfahrungen genutzt.
Dabei hat es mir sehr geholfen, dass ich in Berlin wohne, wo Menschen aus aller Welt leben. Ich war leider noch nie in Griechenland. Aber ich habe eine Griechin in meinem Freundeskreis. Ebenso Italiener, Schweden, Franzosen, Polen und Belgier. Es ist viel einfacher über einen Menschen zu schreiben, den man kennt, sich vorzustellen, was ein Mensch sagt, mit dem man schon gesprochen hat. Deshalb sammle ich bewusst Sprachcharaktere – ich höre Leuten zu und merke mir, was ihre Sprachpersönlichkeit ausmacht. Das hilft mir bei jeder Art von Stories und Texten. Ob im Film, im Game oder im Audio-Format. Auch die Sprache einer Marke – die Corporate Language – lässt sich leichter entwerfen, wenn man sich die Marke als Persönlichkeit vorstellt und eine Sprachpersona entwickelt. Dazu gebe ich in meinen Textseminaren viel Input.
Und wenn wir schon bei den Klischees sind: Wie vermeidet man diese beim Texten und Formen eines Charakters?
Klischees bzw. Stereotype sind gar nicht so schlimm, sondern zunächst einmal eine Hilfe, um sich einem Charakter anzunähern. Wie sprechen Franzosen? Was ist typisch griechisch? Es macht Spaß, Typisches wiederzuerkennen. Jemand, der schon einmal in Frankreich war, findet es charmant, dass viele Franzosen das “h“ im Deutschen weglassen. Stereotype reichen aber natürlich nicht aus, um einen interessanten Charakter zu formen. Dafür muss man sich das Leben der Protagonisten, ihre Geschichte und ihre Motivation ausführlich ausmalen. Auch das, worüber sie selbst nicht reden, schwingt immer mit.
Welcher Charakter des Spiels „Pathways“ ist dir am nahesten?
Frieda, die Künstlerin, die in Griechenland lebt. Sie spricht und denkt assoziativ, ist etwas chaotisch, Lebenskünstlerin und plant nicht besonders voraus. Dinge gehen manchmal schief, aber daraus entstehen häufig die besten Geschichten. Bei Frieda fehlen die Überraschungen nie, sie ist immer neugierig auf das, was als Nächstes passiert. Frieda sprechen zu lassen fiel mir leicht.
Mit BOOST bietet ihr Seminare und Creative Culture Coachings an. Euer Tipp Nr. 1 zum Thema Ideenfindung?
Auch wenn es jetzt vielleicht etwas banal klingt: Unser Nummer 1 Tipp ist Spaß. Nimm dir die Freiheit zu träumen, Kind zu sein, das Unmögliche zu denken und vor allem: zu lachen. Lachen macht locker und das ist die beste Voraussetzung für Kreativität. Mit Kollegen Spaß bei der Arbeit zu haben, beschleunigt die Ideenfindung im Team ungemein. Deshalb planen wir am Anfang unser Kreativworkshops immer Creative Warmups ins Training mit ein. Sich bewegen bewegt auch die Gedanken.
Natürlich gibt es noch viele Dinge, die die Ideenflut ins Rollen bringen. Bei der Ideenentwicklung geht es vor allem darum, eine neue Sichtweise zu finden, neue Aspekte aufzudecken, Bekanntes neu zu gestalten. In unseren Kreativseminaren zeigen wir, wie man mit Kreativtechniken im Team und allein seinen gedanklichen Trampelpfad verlässt und diesen Perspektivwechsel gezielt herbeiführt. Das funktioniert zum Beispiel gut mit den BOOSTern, einer Kreativtechnik, die Nicole und ich dafür entwickelt haben.
„Wir Kreativen profitieren sehr von Europa.“
Wie würdest du den Prozess des Textens, kurz, verständlich und anschaulich beschreiben?
Ein guter Text hat zuerst einmal eine gute Idee. Was genau will ich sagen? Warum soll das meine Zielgruppe interessieren? Ich gehe sehr konzeptionell an meine Texte heran. Steht der Inhalt, texte ich ihn „rund“. Dabei gehöre ich zu den Schreibdenkern – ich schreibe seitenweise, bevor ich einen Satz auswähle. Es gibt aber auch TexterInnen, die zwei Stunden an die Wand starren und dann einen Satz formulieren. Da muss jeder seinen Weg finden. Beim Schreiben hilft mir auch mein „Storyarchiv“, das ich als „Geschichtensammlerin“ habe.
Beim finalen Texttuning kommt das Handwerkszeug der Texter zum Einsatz: Virtuos mit Sprache spielen, Textformate, Textarten und -mechaniken anwenden, Stilmittel nutzen. Es gibt eine Menge Tools, die dabei helfen, einen treffenden Inhalt in einen Texttreffer zu verwandeln. In meinen Textworkshops für den ADC und für BOOST stelle ich sie vor. Ich trainiere mit den Teilnehmern, besondere Textideen zu finden und die Sprache dafür eingängig zu gestalten.
Gibt es ein aktuelles oder aber Wunsch-Projekt, an dem du bzw. ihr von BOOST gerne mitwirken würdet?
Aktuell freuen Nicole und ich uns besonders auf unseren Kreativworkshop für das Auswärtige Amt mit Kreativen aus ganz Europa. Gemeinsam werden wir weitere Ideen für Pathways und für Europa entwickeln. Wie alle Workshops zur Zeit wird auch dieser live online stattfinden.
Und zuletzt: Was macht dich zum European Citizen?
Meine Art zu leben. Meine Art zu denken – ich fühle mich tatsächlich als Europäerin und bin stolz darauf, Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Meine Erfahrungen haben mich zum European Citizen gemacht: Ich habe in Paris gelebt und gearbeitet, ich war als Kreative in London und Prag unterwegs. Mich haben die unterschiedlichen Kulturen auf unserem Kontinent immer sehr inspiriert. Gerade wir Kreativen profitieren so sehr davon!
„Die beste Idee, die Europa je hatte: unsere Gemeinschaft.“
Berlin macht es mir leicht, European Citizen zu bleiben. Berlin ist für mich DIE European City überhaupt: Hier sind Menschen aus ganz Europa zuhause. Wenn ich in Berlin-Mitte vor meine Haustür gehe, höre ich mindestens drei verschiedene Sprachen gleichzeitig. Europa findet sich hier überall wieder – in den Restaurants und Bars, in den Shops, in der Kultur.
Der erste Text, den ich veröffentlicht habe, hatte übrigens bereits Europa zum Thema: Als Schulpraktikantin bei der Heidelberger Rhein-Neckar-Zeitung verfasste ich meinen ersten Bericht über eine Europakonferenz. Ich hoffe, dass mein nächster Text über Europa in Pathways dazu beiträgt, die beste Idee, die Europa je hatte, unsere Gemeinschaft, wieder zu einer ganz großen zu machen. Zu einer Idee, die viele Menschen begeistert.
Das Interview mit Imke Jungnitsch, Creative Director & Creative Coach für Text und Ideenfindung, führte Frauke Gottwald vom ADC. Mehr Informationen über Imke und BOOST Seminare findet Ihr unter www.boost-seminare.de und www.adc.de/seminar/text/.
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