@Matthias Rewig
13. Mai 2020

„Es ist wichtig, die Balance zu finden.”

Matthias Rewig ist Mitbegründer von nhb, Deutschlands größtem Studio für Postproduktion, und gibt dort als Managing Director bis heute die Richtung vor. Welchen Einfluss Musik auf seine Arbeit hat und was er als Mitglied der Jury „Audiovisuelle Medien – Film II” von den Einreichern erwartet, verrät er im ADC Juroreninterview.

Ihr bei nhb gebt Werbefilmen seit Jahren einen ganz besonderen Look. Was ist euer Geheimnis?

Der besondere Look bei nhb wird seit je her durch unsere Artists definiert. Wir haben seit unserer Gründung einen außerordentlichen Wert auf den Aufbau von jungen Talenten uns den Ausbau eines internationalen Top-Netzwerks an Künstlern gelegt. Dabei geht es nicht nur um die außergewöhnliche Kreativität und ihr Handwerk, sondern auch um ihre Passion, mit der sie immer den extra Meter für jedes einzelne Projekt gehen. Wir sind froh und stolz, dass sich diese Ausrichtung stets ausgezahlt hat und nhb zu dem gemacht hat, was wir heute sind.

Du hast eine große Leidenschaft für Musik – als Produzent, DJ und passionierter Plattensammler. Wie beeinflusst das deine Arbeit im visuellen Bereich?

Meine Leidenschaft zur Musik hat mich schon immer in meinem Handeln und in meinen Entscheidungen beeinflusst. Ich trenne das nicht von einander. Genau wie in der Musik, fängt auch in der Postproduktion alles mit einer Vision an. Die definiert und zum Leben erweckt wird durch Hingabe, Emotionen und Trends. Durch Crescendo, Pausen, Rhythmik und Melodie. Durch Mut, Präzision und ein Team, das an die selbe Sache glaubt. Uns kommt natürlich auch zugute, dass Sound und Musik immer noch ein wichtiger Part unserer Leistungen bei nhb ist.

Dieses Jahr bist du Mitglied der Jury „Audiovisuelle Medien – Film II“. Gibt es etwas, das eine Arbeit aus deiner Sicht in jedem Fall erfüllen muss, um für einen Goldenen Nagel in Frage zu kommen?

Ich bin seit vielen Jahren ein Mitglied verschiedener Jurys. Dabei fällt auf, dass die einzelnen Arbeiten oft sehr selbstähnlich sind. Das Format „Audiovisuelle Medien Film II” gibt Kreativen aber die Chance und den Raum, über einen längeren Zeitraum Geschichten aufzubauen und zu erzählen. Meiner Meinung nach muss diese Möglichkeit noch viel mehr genutzt werden. Haltung, Werte und ein popkultureller Bezug sind aktuell relevanter denn je. Einreichungen beziehungsweise Gewinner dieser Kategorie müssen für mich immer eine zweite Ebene aufweisen können. Sie müssen nicht nur irgendeine Geschichte, sondern eine gesellschaftlich wertvolle Geschichte erzählen. Und sie müssen mich überraschen können.

Ihr hast nhb Studios bereits 1986 gegründet. Seitdem ist aus dem Tonstudio Deutschlands größtes Haus für Werbefilmpostproduktion geworden. Was hat sich an der Arbeit mit Bild und Ton in den letzten zwei Jahrzehnten am meisten geändert?

Mir ist über die Jahre aufgefallen, dass die Branche weniger flexibel geworden ist. Die Spontanität, mit der wir früher arbeiten durften, ist ein wenig verloren gegangen. Der Einfluss des Einkaufs ist stetig gewachsen und so verlieren kreative Ideen aus Kosten- und Effizienz-Gründen immer häufiger ihren Kampf um das Endprodukt. Das liegt natürlich an der Natur der Sache und an der Entwicklung unserer Branche. Heute ist es daher um so wichtiger immer die richtige Balance zu finden.

Wir sind immer noch leidenschaftlich und visionär.

Ihr habt Projekte für Kunden von weltweit führenden Brands wie IKEA, Mercedes und McDonald’s realisiert. Waren darunter auch Spots, die du dir sogar als Langfilm im Kino angesehen hättest?

Die angesprochenen Filme sind natürlich extrem kreativ, qualitativ hochwertig und in sich stimmig. Ein Langfilm setzt aber natürlich ein anderes und viel weitergehendes Storytelling voraus. Ich kann mir gut vorstellen, dass gewisse Ideen im Kurzfilmformat funktionieren würden, wie zum Beispiel die Meisterwerke der BMW „The Hire” Kampagne von 2001/2001. Aber besonders bei dieser Kampagne ist erkennbar, dass dafür auch mit Budgets gearbeitet wurde, die heute leider gar nicht mehr vorstellbar sind. Das Volumen der einzelnen Budgets ist natürlich auch etwas, das sich über die letzten Jahrzehnte stark verändert und die Freiheit der Umsetzung auf gewisse Weise limitiert hat. Aber unsere Branche konnte sich zum Glück immer flexibel anpassen und auf neue Herausforderungen einstellen.

Das Festivalmotto 2020 lautet „The Power of No“ – Gibt es ein „Nein” auf das du im Nachhinein besonders stolz bist?

Wir sind seit unserer Gründung 1986 immer noch inhabergeführt. Wir sind immer noch leidenschaftlich und visionär. Aber wir haben auch immer „Nein” zu Rationalisierungsmaßnahmen gesagt und haben unbeirrbar die Flagge für Exzellenz und Kreativität hochgehalten. Wir haben „Nein” zur Verrohung und zum „Ausverkauf” von Kreativität gesagt, aber konnten dennoch flexibel und effizient bleiben. Ja, die Produktionsweisen haben sich verändert und auch wir müssen uns diesen Veränderungen beugen – aber nicht um jeden Preis. Denn eine starke Haltung und gesellschaftliche Werte sind für den Konsumenten im Endprodukt nur erkennbar, wenn sie über den gesamten Produktionsverlauf vertreten werden.