31. Oktober 2019

ADC Jury Chairwoman Barbara Kotte im Interview

Barbara Kotte ist Jury Chairwoman für den diesjährigen ADC Junior Wettbewerb. Die Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim und Partnerin beim Kollektiv Scrollan bildet die Schnittstelle zwischen der Branche und Lehre. Im Interview erzählt uns Barbara u.a., wieso ihre Studierende eine wichtige Inspirationsquelle für sie sind und warum es wichtiger denn je ist, zuzuhören.

Nach deinem Studium der Visuellen Kommunikation führte dich deine berufliche Laufbahn erst in die Welt der Werbung und dann schließlich zurück an die Uni als Lehrbeauftragte und Professorin. Was hat dich zu diesem Weg inspiriert?

Angestrebt habe ich diesen Weg ursprünglich nicht – mir ist der erste Lehrauftrag an der FH Dortmund angeboten worden und ich habe es einfach mal ausprobiert. Und dann gemerkt, dass es was für mich ist. Die Studierenden haben sehr davon profitiert, dass ich immer den Weg sehe – und nicht die Barrieren, die es unterwegs geben könnte. Und mich hat sofort die Energie von 30 Leuten im Raum, die ohne jede Hierarchie und vollkommen ohne Vorbehalte zusammenarbeiten, begeistert. Nachdem ich in Dortmund gelehrt habe, habe ich noch einige Jahre an der HfG Offenbach unterrichtet und bin schließlich als Professorin an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst gewechselt. Aber nur Hochschule – das wäre mir zu wenig. Ich brauche auch die Arbeit in unserem Büro.

Ich sehe immer den Weg – und nicht die Barrieren, die es unterwegs geben könnte.

Beim Kollektiv Scrollan bist du Gründerin und Partnerin. Wie sieht dein Schaffungsprozess, von der Ideenfindung bis hin zum Projekt aus?

Ich kann überhaupt nicht allein arbeiten. Um ehrlich zu sein, bin ich ohne ein Team eine Katastrophe. Während ich an der Hochschule oft mit gezielten Methoden arbeite, gehen wir beim Kollektiv Scrollan anders vor. Das liegt aber auch daran, dass wir uns sehr lange und sehr gut kennen. Wir sprechen über die Dinge, nähern uns so langsam an und verdichten immer mehr und immer mehr bis wir zum Kern zur Idee kommen. Der Schaffensprozess fängt bei uns aber viel früher an. Und zwar beim Kunden. Vom ersten Tag der Zusammenarbeit mit einem Kunden steigen wir sehr intensiv in die Zusammenarbeit ein. Wir lernen unsere Kunden, ihre Fragestellungen und Herausforderungen sehr intensiv in Workshops und Interviews kennen. Wir warten nicht auf ein fertiges Briefing und erledigen dann einen Job, sondern erarbeiten die Frage- und Aufgabenstellungen mit unseren Kunden gemeinsam. Erzählerisch und emphatisch zu arbeiten ist uns sehr wichtig.

Ihr gestaltet unter anderem auch Interface Design. Gibt es Unterscheide zum klassischen Editorial? Welche Herausforderungen hat man bei Kunden?

Beim klassischen Editorial-Design ist das Storytelling viel linearer. Beim Interface Design sind die Wege multiple und zu dem Eindruck, den man mit der eigenen Website schafft, paaren sich noch viele andere Bilder, die von Usern, Kunden und den Mitarbeitern im Netz erstellt werden. Hinzu kommt auch, dass ein Interface Design niemals fertig ist, sondern einem steten Wandel unterliegt und permanent weiterentwickelt wird. Da ist es wichtig, dass man immer wieder schaut, ob man noch auf dem richtigen Weg ist und die Intention nicht irgendwo auf der Strecke geblieben ist. Wir begleiten unsere Kunden auch bei der gesamten Contenterstellung. Denn uns ist es wichtig, dass unsere Designlösungen nicht nur gut aussehen, sondern dass sie auch kommunizieren und dabei bewegen.

Akkuschrauberrennen Bosch HAWK
Scrollan Kollektiv für Elf Freunde zur WM 2018
Scrollan Kollektiv für Elf Freunde zur WM 2018
Scrollan Kollektiv "Stuck on me" Ausstellung

Wie wichtig ist es als Designer*in Input von anderen Kreativschaffenden zu holen? Wo holst du dir deine Inspiration her?

Ich würde sogar noch weiter gehen. Der Input ist nicht nur von Kreativschaffenden wichtig, sondern aus allen Bereichen. Meine Inspirationen sind ganz einfach: Ich höre viel zu statt immer nur zu quatschen – man kann sich gar nicht vorstellen, was man da so alles erfährt. Ich lese Zeitung, höre Podcasts, gehe ich Ausstellungen, zu Konferenzen und halte einfach die Augen und Ohren auf. Da ist es natürlich auch praktisch an der Hochschule zu sein, denn Studierende bringen immer eine ganze Menge Themen mit und die Kollegen aus anderen Disziplinen des Designs sind wahre Inspirationsquellen.

Du lehrst an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst das Fach Konzeption im Bereich Advertising Design. Welchen Trend beobachtest du ganz stark in den letzten Jahren in der Disziplin Gestaltung?

Die gesellschaftliche Relevanz von dem, was wir tun, wird immer wichtiger. Designer sind durch die technologischen und ökologischen Entwicklungen mittendrin in den wichtigsten Fragestellungen unseres Jahrhunderts. Irgendwo zwischen Dystopie und Utopie müssen wir unseren Platz finden. Darum weil die eigene Haltung immer wichtiger wird – und dazu gehört auch, öfter mal Nein zu sagen – werden die Grenzen zwischen den Designdisziplinen immer unwichtiger.

Die eigene Haltung wird immer wichtiger –und dazu gehört auch, öfter mal Nein zu sagen.

Was würdest du dem (kreativen) Nachwuchs mit auf den Weg geben? Vor welchen Herausforderungen stehen deiner Meinung nach junge Kreative in Zukunft?

Wer Dinge einfach nur schön machen will, musste eigentlich nie Design studieren – aber mittlerweile kann man es komplett vergessen. Denn es gibt genug Templates oder Programme, die ein Layout, ein Foto, einen Filmschnitt oder ein Logo zusammenbasteln können. Aber eine Haltung haben, eine Idee entwickeln, neue Wege erkennen und gehen, mutig sein – das können Designer besser als viele andere.

Und umgekehrt: Was muss die Branche tun, damit sie für den Nachwuchs weiterhin interessant bleibt?

 Die Branche muss genau das tun: gesellschaftlich relevant sein. Vordenken, mitreden, unbequem sein, etwas verändern. Gestalten eben.

Du bist dieses Jahr Chairwoman für den ADC Junior Wettbewerb. Was erwartest du von den Einreichungen? Welche Kriterien müssen sie erfüllen, um im ADC Junior Wettbewerb erfolgreich abzuschneiden?

Für den Nachwuchs gelten die gleichen Kriterien wie für alle anderen im Wettbewerb. Die Arbeit muss originär und originell sein. Sie muss verständlich sein und Kraft haben. Sie muss handwerklich überzeugen und sie muss Freude bereiten. Und besonders im ersten und im letzten Punkt sind viele Nachwuchsarbeiten besonders überzeugend. Durch Experimentierfreude und Lust am Irrationalen. Aus meiner Juryarbeit in den letzten Jahren waren es immer die Arbeiten aus dem Junior Wettbewerb, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind.

Scrollan Kollektiv für die Staatsoper unter den Linden
Scrollan Kollektiv für die Staatsoper unter den Linden
Scrollan Kollektiv für Tanzplan Deutschland

Worauf wirst du in deiner Rolle als Jury Chairwoman besonders Wert legen?

Meine Haltung zum Wettbewerb: Der Junior Wettbewerb ist der Maßstab, an dem sich die Profis messen müssen und nicht andersrum. Steile These? Die Kinder und Jugendlichen auf der Welt machen uns doch gerade vor, dass sie weiser und reifer sind als alle Mächtigen zusammen.

Die Jugendlichen auf der Welt machen uns gerade vor, dass sie weiser sind als alle Mächtigen zusammen.

Warum sollte man deiner Meinung nach beim ADC Junior Wettbewerb teilnehmen?

Das Festival ist perfekt, um miteinander in Kontakt zu kommen und andere kennenzulernen. Wer einen Nagel gewinnt oder eine Auszeichnung bekommt, hat nicht nur eine gute Bestätigung, sondern auch eine tolle Eintrittskarte ins Berufsleben. Wer will denn nicht einen Designer oder eine Designerin einstellen, von der die ADC Jurys gesagt haben: „Der oder die ist richtig gut.“

Was ist dein (kreatives) Credo?

An der Hochschule: Hör auf zu krampfen, es ist doch nur ein Spiel. Und wenn es schiefgeht, dann geht es eben schief. Und in meinem Büro: Wenn es nicht berührt oder etwas erzählt, dann ist es nicht gut.

Das wichtigste Tool, mit dem du arbeitest?

Leichtigkeit und Lachen – lautes Lachen.

Ohne…starte ich nicht in den Tag?

Ein Kaffee aus meiner Espressomaschine mit aufgeschäumter Milch. Und den trinke ich aus einer wunderschönen Schale aus Frankreich. In dem Porzellan sind Kristalle, die erst beim Brennen wachsen.

 

Mehr Infos zur HAWK Hochschule:

https://www.hawk.de/de

Mehr Infos zum Kollektiv Scrollan:

https://www.kollektiv-scrollan.com/