„So Future“ – Erfolgreicher Auftakt für den ADC Creative Club Hamburg
Mit rund 250 Besucher*innen und 8 Präsentationen von Talents, Live-Musik...
"Das Totale Tanz Theater - 100 Jahre Bauhaus" wurde beim ADC Wettbewerb 2019 mit einem Grand Prix im Fachbereich Digital ausgezeichnet. Das Projekt verbindet handwerkliche Expertise, KI gestützte Technologie und fließende Tanzbewegungen in einer packenden VR Experience. Dirk Hoffmann, Torsten Sperling und Patrik de Jong von Artificial Rome verraten im Interview die Hintergründe zum preisgekrönten Case und warum Neugierde und Offenheit gegenüber neuen Technologien der Schlüssel sein kann.
Wie kamt ihr auf Das Totale Tanz Theater? Wie habt ihr euch dem Thema genähert?
Die Idee zu Das Totale Tanz Theater ist im Rahmen des Crossmedia-Projekts BAUHAUS SPIRIT entstanden. Unsere Partner, die Interactive Media Foundation und Filmtank sind im Sommer 2016 mit inhaltlich sehr konkreten Vorstellungen an uns heran getreten: Eine Story, tänzerisch erzählt rund um das Thema Mensch und Maschine, umgesetzt als gewaltiges, mehrdimensionales Erlebnis – in Virtual Reality. Als Gestalter kannten wir das Bauhaus bereits, aber uns war bewusst, dass ein Projekt dieser Größenordnung eine intensive Vorbereitungsphase und viel Recherche voraussetzte.
Könnt ihr das Projekt in wenigen Sätzen für uns zusammenfassen?
Inspiriert von Oskar Schlemmers Bühnenexperimenten und Gropius‘ Idee vom Totaltheater wurde eine virtuelle Welt mit kostümierten Tanzmaschinen erdacht, in der der Frage nach dem Verhältnis Mensch-Maschine im digitalen Zeitalter nachgegangen wird. Ausgehend von Schlemmers Überlegungen wurden über 200 Bleistiftskizzen für digitale Kostüme erstellt. Diese dynamischen Kostüme reagierten in ihrer digitalen Form auf die Bewegungen des tragenden Tänzers und entfalten erst dadurch ihre schönsten Formen. Mittels VR-Brillen tauchen vier Nutzer gleichzeitig in einen gewaltigen, virtuellen Bühnenbau ein und durchlaufen mit ihrer Tanzmaschine eine interaktive Choreografie über drei Ebenen. Die Bewegungen der Tänzer wurden über Motion Capturing aufgezeichnet. Dadurch entstanden mehr als 2500 Bewegungsabläufe, die in einer Datenbank abgelegt wurden und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zu einer interaktiven Choreografie wieder zusammen gesetzt wurden.
Aus dem Ineinandergreifen von menschengemachter Choreografie, persönlicher Intervention sowie maschinellem Algorithmus ergeben sich dabei immer neue Formen der Bewegung und des Tanzes im Raum.
Obwohl das Ausmaß eines solchen Projekt sehr überwältigend sein kann, war uns von Anfang an wichtig, dass die Handschrift von Artificial Rome nicht verloren geht.
Jeder Kreationsprozess ist analog erdacht.
Die aufwendigen und detailreichen Kostüme sind aus Bleistiftzeichnungen entstanden und Stück für Stück digitalisiert und animiert worden.
Stellt ihr euch kurz vor?
Dirk und Patrik leiten die Kreation und sind die beiden Gründer von Artificial Rome. Torsten ist Creative Technologist und experimentiert mit Code und unterschiedlichen Werkzeugen.
100 Jahre Bauhaus: Warum ist das heute noch wichtig? Müssten wir Deutsche nicht noch viel mehr Aufmerksamkeit auf das Bauhaus richten?
Wer in der Kulturproduktion arbeitet, weiß, dass das lang erwartete und vor allem lang vorbereitete Jubiläum in Deutschland viele Menschen und Institutionen Jahre vorab beschäftigt hat. Es sind viele großartige Ausstellungen und Projekte entstanden, weswegen wir besonders stolz sind, hier mitwirken zu dürfen.
Als Kunstschule und Schule von Gestaltung und Formen wird das Bauhaus seine Stellung und Einflusskraft nie verlieren.
Das Bauhaus ist zeitlos. Seine Auflösung hat sicherlich zu der massiven internationalen Verbreitung beigetragen.
Ihr habt mit eurem Projekt das menschliche Handwerk nicht maschinell ersetzt, sondern beides ergänzt. Wieso?
Da steckt keine Botschaft dahinter. Neue Technologien eröffnen uns in erster Linie Möglichkeiten. Das Szenario, dass Roboter oder künstliche Intelligenz uns die Arbeit weg nehmen, ist konstruiert und sehr überhöht. Wir glauben, dass kreatives Arbeiten bzw. kreative Intelligenz nie komplett durch Maschinen ersetzt werden kann.
Die Angst und Skepsis spüren wir natürlich auch, wenn wir mit Partnern zusammen arbeiten, die sich ganz langsam in das Feld heran arbeiten. Kulturpessimistische Perspektiven bringen uns allerdings nicht weiter, stattdessen sollten wir einen Umgang mit den Technologien finden und neugierig bleiben.
Wir sollten neugierig bleiben.
Richard Siegal hat die Choreografie für das Projekt übernommen. Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Diese Entscheidung wurde bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt von der Interaktiven Media Foundation getroffen, da ein Name, wie der von Richard Siegal natürlich auch zieht. Siegal passte hier besonders gut, da er bekannt für seine unerschrockenen Grenzgänge und ein Star der deutschen Tanzszene ist. Außerdem wussten wir, dass er ein Faible für abstrakte elektronische Klänge hat, also genau die Richtung, in die wir mit dem Projekt wollten.
Wie war der Prozess der Ideenfindung? Vor welchen Herausforderungen oder Entscheidungen standet ihr?
Die Idee kam von unserem Partner, vor uns lag die Aufgabe, diese Idee in eine Form zu gießen. Dafür brauchten wir nicht nur ein besonderes gestalterisches Konzept, sondern auch das richtige Team. Die Anforderungen von Virtual Reality sind um einiges komplexer als das was wir bisher gemacht hatten. Also mussten wir uns erst einmal Expertinnen und Experten suchen, mit denen wir ein Proof of Concept und daraus resultierend einen Plan machen konnten.
Auch für das kreative Zusammenspiel mit der Interactive Media Foundation und Richard Siegel brauchte es Regeln, aber auch Offenheit. Dass wir eine KI-getriebene Choreografie programmieren würden, die die 2500 unterschiedlichen Tanzbewegungen immer wieder aufs Neue zusammen setzen würde, wussten wir zum Beispiel zu Beginn der Zusammenarbeit mit Richard Siegal nicht. Wir mussten immer wieder improvisieren und uns auch anpassen, da Theorie und Praxis oft weit auseinander klaffte.
Weshalb habt ihr das Projekt beim ADC eingereicht?
Für uns sind Wettbewerbe wie der ADC sehr wichtig. Grade bei und nach solchen Langzeit-Projekten wie Das Totale Tanz Theater müssen wir im Gespräch bleiben, unsere Arbeit zeigen und uns mit der Konkurrenz messen. Das Design und die Ästhetik von Projekten liegt uns persönlich sehr am Herzen und wir wollen darüber wahrgenommen werden. Dafür muss man besonders als kleine Agentur, die nicht durch große Accounts getragen wird, eine Plattform finden.
Die Meinung der ADC Jury ist uns wichtig, ganz einfach, weil sie unseren Marktwert mitbestimmt. Bei einer Einreichung handelt es sich also um einen Balance-Akt, wir wollen uns abheben, anders sein, anders gestalten und gleichzeitig gefallen. Dieses Mal ist uns das gelungen!
Es können vier Personen gleichzeitig die VR-Performance erleben. Können die Benutzer miteinander interagieren?
Ja, das ist sicherlich ein besonderes Feature der Experience. Eigentlich ist man in VR alleine in einer eigenen Welt, im Totalen Tanz Theater kannst man seine Mitspieler als Avatar sehen und ihre Bewegungen verfolgen, man spürt zwangsläufig, dass es sich um eine Realtime-Anwendung handelt, da auch die anderen Akteure in die Choreografie eingreifen.
Jedes der vier Kostüme wurde einer der vier Grundformen zugeordnet (Kreis – Marionette, Dreieck – Wandelnde Architektur, Quadrat – Entmaterialisierung, und Linie – Technischer Organismus) und bekommt dadurch seinen ganz eigenen Reiz. Außerdem erlebt man die Experience mit und durch das Kostüm jedesmal anders. Geometrie und Formen standen oft im Mittelpunkt der Arbeiten der berühmten Kunstschule, eine Tradition, die wir in unserem Projekt weiterführen wollten. Darüber hinaus gab es noch einen pragmatischen Grund: Es können schlicht und einfach mehr User an der Experience teilnehmen.
Die Tanzperformance kann sich auch individuell durch Interaktion der Benutzer sich verändern und anpassen. Wie funktioniert es? Welche Technik steckt dahinter?
Hier ist die transdisziplinäre Arbeit vollkommen aufgegangen. Bei den Disziplinen Tanz und Technik würde man auf den ersten Blick nicht meinen, dass sich gerade hier an dieser Stelle eine Schnittstelle verbirgt, die für das Projekt enorm wichtig war. Nämlich: „If/then“ – Richard Siegal wandte das von ihm entwickelte Prinzip in der Choreografie seiner Tänzer an um sie am Entstehungsprozess zu beteiligen. Dementsprechend können die Tänzerinnen und Tänzer auf eine Interaktion folgend aus zwei Möglichkeiten wählen. Man kann sich vorstellen, dass dieses Prinzip extrem hilfreich für die Programmierung war. Die musste nämlich dafür sorgen, dass die Tänzerinnen und Tänzer in der Experience spontan auf die Bewegungen der User reagieren. So entstand ein Regelsystem für die interaktive Choreografie. Die KI setzte die passenden Bewegungsabläufe ganz individuell nach dem Prinzip „If this/that “ immer wieder neu zusammen.
Beim ADC wurdet ihr mit einem Grand Prix ausgezeichnet. Was bedeutet die Ehrung für euch?
Wir sind extrem stolz auf diesen Preis. Das Totale Tanz Theater ist das größte, anspruchsvollste und technisch komplizierteste Projekt, das wir jemals umgesetzt haben.
Es ist das größte, anspruchsvollste und technisch komplizierteste Projekt, das wir jemals umgesetzt haben.
Wir sind ebenfalls keine Neulinge mehr im Geschäft, wir bringen mit unserem Team eine gewisse Seniorigkeit mit, ohne die man das Projekt wahrscheinlich auch nicht gestemmt bekommen hätte. Deswegen, man kann es nicht anders sagen, ist der Grand Prix Digital die sogenannte Kirsche auf dem Kuchen. Auch ohne den Vorteil, der junge, rebellische Underdog zu sein.
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