Ein Navigationssystem für die Kreativwirtschaft – Der ADC Creative Index für Hochschulen
Der Art Directors Club (ADC) hat aus den Daten des...
André Hennen ist Texter, Buchautor, erfolgreicher Startup-Gründer und zweifacher Vater. Nach Stationen bei Jung von Matt, Grabarz und Partner, SinnerSchrader und Leagas Delaney sowie über 100 nationalen und internationalen Auszeichnungen hat sich André für die Selbstständigkeit entschieden, um eigene Projekte zu verfolgen.
Ein Interview von Burkhard Müller
Du hast viele Jahre in namhaften Agenturen gearbeitet. Was war der ausschlaggebende Grund dich selbstständig zu machen?
Die Freiheit. Kreative wie persönliche. Nein sagen zu können ist der größte Luxus, den es gibt. Nein zu Kunden, die sich mit persönlichen Werten (moralisch wie kreativ) nicht verbinden ließen, aber auch zu Arbeitsweisen, die ich einfach nicht ernst nehmen kann. Ich arbeite selbst viel, aber wer extra lange arbeitet, ist kein extra guter Kreativer, sondern einfach nur mies organisiert und kann keine Entscheidung treffen. Als Selbstständiger kann ich solchen Firmen und Personen aus dem Weg gehen – und mit Leuten arbeiten, die ich schätze und mag. Das setzte allerdings auch eine gewisse wirtschaftliche Freiheit voraus. Bei Jung von Matt nannten sie das „Fuck you Money“. Man bildet Rücklagen, damit man 6-12 Monate ohne „Kunde X“ auskommt, ohne sich einschränken zu müssen. Das beruhigt ungemein.
Ich wollte auch die Freiheit immer etwas Neues auszuprobieren. In meinem Freelance Businessplan stand, dass ich 50% meiner Zeit für freie Projekte nutze. Völlig neue Bereiche, in denen ich erstmal keinen Schimmer hatte.
Das erste Projekt war ein freies Kunstprojekt – die Lebende CI auf meiner Website, zusammen mit allerzeiten, Blynk & GermanWahnsinn. Das zweite sollte etwas Hilfreiches sein – das war das Buch Kunst, Kommerz & Kinderkriegen, zusammen mit dem Verlag Hermann Schmidt. Und das dritte Projekt ist die Freelancer Management Software „asap.industries“, die wir grade an XING verkauft haben und die jetzt HalloFreelancer heißt, zusammen mit Paul Sorge, Stefan Knop und Alina Latus. Und parallel als Hobby läuft auch noch meine Facebook-Seite Schöne Texte.
Das waren nur die letzten 3 Jahre.
Sowas wäre in Festanstellung völlig undenkbar!
„Hey Chef, ist das okay für dich, wenn ich nebenbei ein Buch schreibe? … Und eine Firma gründe?“ Der denkt doch, ich hab‘ sie nicht mehr alle.
Mit der „Lebenden CI“ hast du damals auch einen Nagel gewonnen. Wie hat sich für dich das Projekt von einem Awardprojekt in einer Agentur unterschieden?
Die „Lebende CI“ war von den freien Projekten das, was „Award Projekten“ in Agenturen am nächsten kam. Das hatte auch das etwas unsympathische Ziel einen Nagel zu gewinnen, damit ich als Freelancer und allerzeiten als Designstudio bekannter werden – hat auch geklappt. Die Arbeitsweise war daher auch fast identisch: Idee ausdenken, Team zusammenstellen, umsetzen, einreichen. Der große Unterschied war das Geld – wenn‘s daran mangelt, muss man Abstriche bei der Zeit machen (Zeit, Geld & Qualität – an einem mangelt es halt leider immer. Und an der Qualität wollten wir logischerweise nicht sparen). Zahlende Jobs gehen immer vor – bei allen. Also wartet man immer bis jemand einen freien Slot hat – und so hat das Projekt von der Idee bis zur Einreichung fast zwei Jahre gedauert.
Aber das ist auch ein Vorteil an der Selbstständigkeit: Niemand hält dich auf, außer du selbst.
Mit „Kunst, Kommerz & Kinderkriegen“ hast du dein erstes Buch geschrieben. Wie ist die Idee entstanden?
Das hat einige Jahre gebraucht, den Gedanken wirklich sauber zu formulieren. Auf der Zielgeraden hat mich dann glücklicherweise Karin Schmidt-Friderichs vom Verlag Hermann Schmidt in den Leitplanken gehalten und sehr geholfen.
Aber ich fange mal vorne an: Ich mache seit Jahren, zusammen mit meinen ehemaligen Art-Partner Jan Wölfel, an der Texterschmiede den „Mappencheck“. Das ist eine Art Bewerbungscoaching für den Nachwuchs. Am Ende gibt’s einen Mappencheck, den ich immer mit der Frage beginne: “Was möchtest du denn mit deiner Mappe erreichen, bzw. wo willst du hin?”
Als wir damit angefangen haben, war das Ziel fast immer zu Springer & Jacoby oder Jung von Matt zu kommen. Zumindest wollten alle eine Festanstellung. Über die Jahre kamen dann die “Generation Y” Fragen dazu. Wieso soll ich Tag und Nacht arbeiten, wenn sich das nicht in meinem Gehalt widerspiegelt? Hat mein Schaffen eine Bedeutung? Wieso muss ich eigentlich immer jemandem folgen oder zu festen Zeiten anwesend sein?
Da will man reflexartig antworten: „jetzt zeig mal etwas Demut, von den Alten kannst du noch ganz schön viel lernen“‘, und immer schwingt etwas preußisch mit: “Bei uns war das halt auch so, das hat uns nicht geschadet, also stell dich mal nicht so an. (Weichei.)”. Aber je länger man darüber nachdenkt, merkt man, verdammt, diese arroganten Jünglinge haben eigentlich Recht! Die stellen nicht nur einen Job oder eine Arbeitsweise in Frage – die stellen das gesamte Leben in Frage – und wollen aus ihrem Leben einfach das Beste machen. Das kann man nicht ernsthaft kritisieren. Wir haben nur dieses eine Leben und 70% der Deutschen verbringen den Großteil davon mit emotionsloser Existenzsicherung im Kapitalismus. “Kindheit, Erwerbsphase, Rente, Tod”, wie das in Sozialversicherungskreisen so schön heißt.
Die 70% haben übrigens den Ausschlag gegeben, das Buch zu schreiben. Die Zahl kommt aus dem großen „Gallup Engagement Index“. Jedes Jahr ist das Ergebnis, dass über 70% aller Angestellten in Deutschland ihren Job bestenfalls lustlos, als „Dienst nach Vorschrift“ machen und ca. 15% davon sogar „innerlich gekündigt“ haben. Das muss man sich mal vorstellen!
70% verschwenden ihr Leben mit etwas, was sie gar nicht wollen!
Das hat mich ehrlich fertig gemacht und ich wollte irgendwie helfen.
Das Ergebnis ist das Buch. Als eine neutrale Orientierung zwischen Festanstellung, Freelance, Firmen- und Familiengründung. Mit jeweils ganz pragmatischen Einstiegshilfen. Als frustrierter Festangestellter wechselt man ja aus irgendwelchen Gründen lieber dreimal die Unternehmen (die sich meist doch sehr ähnlich sind) – bevor man einmal ein anders Arbeitssystem ausprobiert. Dabei ist die Kündigungsfrist in der Probezeit viel riskanter als eine Selbstständigkeit mit Gründungszuschuss. Aber das ist nur ein Aspekt.
Es gibt verdammt gute Gründe für eine Festanstellung.
Was mich an den vorhandenen Büchern zum Thema gestört hat, war diese arrogante Haltung zu sagen „Wer kein Freelancer ist, ist ein feiger Trottel.“ Es gibt verdammt gute Gründe für eine Festanstellung! Gerade als Einsteiger, wenn man einen guten Mentor braucht. Oder wenn man keine Lust zum Netzwerken oder auf Finanzen hat. Oder ein festes Team um sich möchte. Auf der anderen Seite hat man als talentierter Freelancer höchstwahrscheinlich mehr Geld – und/oder mehr Zeit. Auch für eigene Projekte.
Diese Abwägungen soll einem das Buch erleichtern – und wenn man seine Entscheidung getroffen hat, gibt’s jeweils Tipps, wie man reinkommt. Von Gründungszuschuss über Buchhaltung bis zu Verhandlungsratschlägen.
Wenn das Buch nur eine handvoll Menschen dazu gebracht hat, ihr (Arbeits)leben bewusster anzugehen und jetzt etwas machen, was sie zu den 20% glücklichen und motivierten zählen lässt, dann hat sich die Mühe gelohnt.
Kunst, Kommerz und Kinderkriegen
Festanstellung, Freelance, Firmen- und Familiengründung
ISBN 978-3-87439-874-9
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Das Thema Selbstständigkeit zieht sich durch deine Arbeit. Zuletzt hast du ein Startup gegründet, um das Management von Freelancern zu digitalisieren. Kam dir die Idee dazu beim Schreiben des Buches?
Auch. Die Idee entstand quasi in drei Akten:
Der erste war in den Agenturen, in denen ich gearbeitet – und auch Freelancer gebucht – hab. Es gab‘ nämlich gar keinen Prozess oder zumindest eine zentrale Datenbank. Da hatte man Stress und musste erstmal eine Freelancer-Liste finden und die dann stundenlang abtelefonieren. Das hat einfach alles genervt.
Danach als Freelancer hab ich denselben Murks-Prozess von der anderen Seite erfahren. Das Nervigste war, dass man meist an einem Ansprechpartner hing und wenn der gekündigt hat, war man als Freelancer auch weg – weil in der Firma einfach niemand meinen Kontakt hatte. Obwohl man jahrelang gute Arbeit abgeliefert hat.
Und der letzte Teil war dann das Buch mit der Recherche dazu. In den Agenturen war die Meinung oft, dass die „Freelancer-Blase platzt“ oder das man mit Freelancer-Sperren weiterkommt. Und dann liest man die ganzen Studien die belegen, dass der Freelancer-Markt seit Jahrzehnten nonstop wächst. In den USA bilden Freelancer bald die Mehrheit aller Beschäftigten. Dazu kamen besagte Bewerbungscoachings, bei denen mich heute die Hälfte fragt, wie sie schnellstmöglich ihr eigenes Ding machen können.
Da war klar – für Freelancer fehlt in Firmen ein Tool.
Eine Software, die das alles optimiert und Freelancern eben auch eine Wichtigkeit einräumt. Mittlerweile ist Firmen ein gutes Verhältnis zu Freelancern genauso wichtig wie zu den festen Mitarbeitern. Das zu lösen, haben wir mit HalloFreelancer auch geschafft, würde ich mal dreist behaupten. Denn XING hat uns gerade gekauft und die kennen sich mit Software ja ein bisschen aus. Jetzt führen wir das gemeinsam praktisch 1:1 weiter – und XING hat auch noch gut 400.000 Freelancer in petto – das hätte uns als kleines Startup Jahre gekostet so einen Pool aufzubauen.
Wie sind XING auf euch aufmerksam geworden?
Bei einem Startup Pitch, der über den Next Media Accelerator kam und an den kamen wir über Nico Lumma.
Jedes Startup braucht eine Rampensau, die ständig und überall die Idee präsentiert.
Nebenbei erwähnt: Das Präsentationsformat „Startup Pitch“ ist genial (und weltweit bewährt): In maximal 5 Minuten erklärst du erst komplexe Zusammenhänge und bietest dann direkt die Lösung. 5 Minuten! Das sind oft nur 10 Charts. Nach den hunderten Präsentationen in der Werbung, die gern mal 200 Charts hatten und erst im letzten Drittel mit konkreten Lösungen/Ideen kommen, war das wirklich eine Entdeckung, die man klauen sollte.
Eine dieser Präsentationen war bei XING im Haus. Danach kam Moritz Meltzer auf mich zu und meinte: „Cooles Ding habt ihr da, lass doch mal reden.“ Haben wir dann auch gemacht. Im Vergleich zu den klassischen Investoren, mit denen wir auch gesprochen haben, hat uns XING nicht bedrängt endlich „in die US zu scalen“. Wir haben immer gesagt: Herrje, es gibt 1,6 Millionen Unternehmen in Deutschland, die mit Freelancern arbeiten – die kann man ja erstmal mitnehmen oder? Neben dem riesigen Freelancer-Pool hatte XING auch einen großen Wettbewerbsvorteil, der gerne unterschätzt wird: Die waren einfach richtig nett!
Ende Mai habt ihr dann verkauft. Das war doch genau nach Einführung der DSGVO, war das ein Thema für euch?
Oh ja. Wir waren vermutlich der erste Firmenverkauf mit Userdaten nach der DSGVO. Das hat uns wirklich Nerven gekostet. Ich hab jetzt eine eigene Rubrik „Anwälte“ in meinem Adressbuch – bis zur Gründung bin ich 36 Jahre ohne Anwälte ausgekommen. Wenn das eigentliche Ziel des DSGVO Gesetzes war, Google und Facebook Einhalt zu gebieten ist das ganz furchtbar schief gegangen. Die großen Konzerne haben nämlich Armeen von Legal-Teams, die sich bestmöglich absichern – aber die kleinen Unternehmen (oder gar die Freelancer!) sind erstmal völlig hilflos und nehmen vor Schreck ihre Websites offline.
Ich wette, die Wettbewerber in den USA und China lachen sich ins Fäustchen.
Ich würde mir jetzt auch überlegen, ob ich in Europa nochmal eine cloud-basierte Software mit Userdaten entwickeln würde, wenn ich weiß, dass ich beim Verkauf erstmal jeden einzelnen User fragen muss, ob der einverstanden ist. Ich wette, die Wettbewerber in den USA und China lachen sich ins Fäustchen. Und dann fragen sich hier alle, warum Europa kein Twitter oder Alexa hinkriegt.
Nach dem Verkauf deines Startups bist du weiterhin an Bord und entwickelst das Produkt weiter. Bist du jetzt nicht wieder an dem Punkt fest angestellt zu sein?
Erfreulicherweise nicht. Das war uns auch wichtig. XING schreibt sich ja das Thema „New Work“ sehr groß auf die Fahne – und zieht das auch durch. Ob man anwesend ist oder nicht, interessiert tatsächlich niemanden. Es gibt Meilensteine und Sprints, die man definiert – aber die Art und Weise, wie man die erreicht, ist frei.
Das Schöne an dem Modell ist, dass jeder arbeiten kann, wie er will. Es gibt ja auch eine große Gruppe, die das fast schon in Verruf gekommene 9-to-5 Modell durchaus genießt. Da fällt um 17 Uhr der Hammer. Handy aus und Quality-Time Zuhause. Warum nicht? Man sucht sich das ja nicht aus. Die einen empfinden das als Freiheit, wenn sie noch nicht wissen, für wen sie nächsten Monat arbeiten – die anderen bekommen Angst. Ganz grob geschätzt trennt sich die arbeitende Bevölkerung da ungefähr zur Hälfte in „lieber fest“ und „lieber frei“. Das ist jedenfalls die Aufteilung, die sich in den USA gerade durchsetzt – und die sind uns ja gerne mal 5-10 Jahre voraus. Wie bei jeder Diskussion ist es auch hier etwas anstrengend, dass jeder sein Arbeitssystem für das Beste hält. Aber das spielt sich schon noch ein.
Ich für meinen Teil mache immer noch freie Projekte, die mir Spaß machen. Zum Beispiel als Ideengeber kann man mich immer noch regulär buchen. Nur halt nicht mehr wochenweise.
Du hast für deine Ideen nicht das schützende Netz einer Agentur oder eines Unternehmens. Wer sind deine Kritiker, die dich bestärken oder vor schlechten Entscheidungen bewahren?
Freunde – aber vor allem meine Frau Christine. Kein Mensch kennt mich besser. Und sie hat die beneidenswerte Fähigkeit komplexe Probleme in sehr pragmatische Ratschläge zu zerlegen. Forest Gump würde sagen „Sie erklärt die Dinge so, dass auch ich sie verstehe.“ Passenderweise ist sie auch Texterin, also sie hat dieses Talent auch zu ihrem Beruf gemacht.
Generell nehme ich Kritik immer sehr ernst und denke da lange drüber nach – auch wenn ich mir das vielleicht nicht immer anmerken lasse.
Bei meiner Arbeit als Texter waren Philipp Barth und Ralf Heuel meine größten Kritiker. Die haben mich jahrelang zerlegt und ich war manchmal stocksauer, wenn wieder keine Idee dabei war. Aber von denen hab ich auch am meisten gelernt. Das ist mir erst Jahre später wirklich bewusst geworden – daher an dieser Stelle nochmal ein großes Danke, falls die beiden das hier wirklich alles lesen.
Ein Vorteil an der Festanstellung:
jemanden zu haben, der dich professionell beleidigt
Das ist übrigens ein Vorteil an der Feststellung: jemanden zu haben, der einen professionell beleidigt. Wenn man sich nur in seiner Blase selber gut findet, macht der Kopf irgendwann Feierabend. Und wenn man sich nicht bewegt, bewegen einen irgendwann andere – und meist nicht in eine Richtung, die einem gefällt.
In freier Wildbahn ist das leider furchtbar selten, ehrliche und am besten noch konstruktive Kritik zu bekommen. Einen Freelancer kritisiert man selten – der wird einfach nicht mehr gebucht. Das ist auch die Gefahr wenn der Nachwuchs direkt als Freelancer startet. Die steigen auf sehr niedrigem Niveau ein und rufen natürlich einen entsprechend geringen Tagessatz auf – und kommen von dem kaum weg. Konstantin Jacoby hat vor gefühlt 1.000 Jahren mal gesagt: „Das Problem, wenn der Kunde einen Film für nur 500 Mark drehen will, ist – du wirst jemanden finden, der es macht.“ Auch als Junior willst du einfach nicht dieser 500 Mark Filmdreh-Heini sein! Also hoffe ich zumindest. Ist ja immerhin die ADC Website hier.
Ausbleibende Kritik ist auch andersrum problematisch: Freelancer haben einen extrem guten Blick auf Arbeitsweisen und Projekte, da sie von außen kommen und eine gewaltige Bandbreite an Arbeitsweisen aus zig anderen Firmen kennen. Aber der Freelancer wird meist erst nicht gefragt und wenn, wird er die Kritik an seinem Arbeitgeber so sehr in Watte packen, dass man keine Kante mehr spürt. (Ich glaub, dass packe ich mal auf die HalloFreelancer Ideen-Liste.)
Vermisst du denn nicht manchmal die Vorteile in einer Agentur zu arbeiten?
Doch klar. Vor allem das soziale Umfeld, wie man das in Umfragen immer so schön nennt. Wenn man sich freut, nach dem Urlaub die Kollegen wieder zu sehen, ist das doch großartig.
Schwierig ist auch, dass man die Projekte selten fertig macht. Als Texter schreibt man die Ideen auf und hofft das Beste. Der Vorteil davon ist, dass man sich den ganzen politischen Hassle und das Über-Telefonspinnen-Gehänge spart. Klarer Nachteil ist – selbst wenn man einen Volltreffer gelandet hat, muss man als Freelancer auf den Goodwill der Agentur hoffen, einen überhaupt auf die Credits zu nehmen, geweige denn als Preisabholer zu nominieren. Die stilvolleren Agenturen haben damit aber meist kein Problem.
Besonders traurig ist es als Freelancer immer im Dezember, wenn alle Angestellten ihre Weihnachtsfeier haben und man selbst in die Röhre guckt.
Aber wie jedes Problem kann man auch das kreativ lösen. Seit vier Jahren veranstalten wir in Hamburg die „Freinachtsfeier“. Damals habe ich die Text-Freelancer-Kollegen, mit denen ich auch Jobs tausche, in eine (geheime) Facebook-Gruppe eingeladen. Mittlerweile gibt’s auch eine Arter-Gruppe und zusammen werfen wir einmal im Jahr Geld in den Topf und lassen für uns 140 Leute eine feine Weihnachtsfeier mit allem drum und dran raus. Und der Rest von Budget wird gespendet.
Wenn du jetzt zurückblickst, welche Rolle hat der ADC in deiner Karriere gespielt?
2006 habe ich meine Frau auf der ADC Party in Berlin kennengelernt. Unsere Hochzeitseinladung haben wir sogar eingereicht. Wenn das mal kein kitschiges Verhältnis zum ADC ist!
Als Junior-Texter war der ADC Nagel der leuchtende Stern am Horizont. Ich hab damals in Jahrbüchern geblättert und überlegt, warum das jetzt was gewonnen hat und mein Zeug nicht mal als Skribbel den CD überlebt. Der Nagel war das Ziel. Denn wer den gewinnt, bekommt eine Freibier-Einladung zur Gala, was in dem Alter durchaus eine gewisse Relevanz besaß – und die Gehaltsgespräche liefen auch besser – was noch mehr Relevanz besaß, denn für mehr Geld konnte man mehr Bier kaufen.
Mit den Jahren ging es dann weniger um Bier, als um Türen, die sich öffneten. Man kann die Relevanz von Awards noch so kritisieren – für die Jobauswahl, Positionen und Gehälter machen die einen riesigen Unterschied. Die Personen, die in der Presse ständig gegen Awards wettern, sind ja meist Agenturchefs oder Vorstände, die schon seit zig Jahren nicht mehr in der Situation waren, irgendwas her zeigen zu müssen. Ab CD-Level haben Awards tatsächlich keinen großen Einfluss mehr auf das berufliche Fortkommen, aber die spannende Frage ist doch, ob man überhaupt auf das CD-Level gekommen wäre, wenn man nie einen Nagel gewonnen hätte.
Ich hab tatsächlich lange gezögert, Mitglied zu werden. Erst war ich mir unsicher, ob ich das schaffe – dann war ich mir unsicher, ob ich das wollte. Das Thema „Club der alten Männer“ geistert ja immer noch rum.
Deswegen freut mich die neue Ausrichtung auch so. Weniger Ufftata-Reklame und wieder mehr Stil und Haltung. Auffällig entspannt. Und vor allem wird wieder die gesamte Bandbreite repräsentiert: Design, Illustration, Kunst, Literatur, Typografie oder auch Business-Ideen.
Bei einem Vortrag an einer Uni wurde ich letztens vorgestellt mit den Worten „Der André macht ja leider nichts Kreatives mehr.“ Das würde ich vehement abstreiten. Das Startup war das kreativste, was ich je gemacht habe. Ich hoffe wir schaffen es noch der Rolle des Freelancers als Ideengeber mehr Wertschätzung zuzusprechen. Große Hollywood-Produktionshäuser stellen ihre Regisseure und Stars ja auch nicht fest an, sondern schmücken sich stattdessen damit, Top-Namen für ein Projekt gewonnen zu haben. Da sollten wir auch hinkommen.
In freien Konstellationen entstehen oft die spannendsten Dinge. Vielleicht bekommt der ADC die gesammelte Power von über 700 Top-Kreativen auch mal für ein gemeinsames gesellschaftliches Projekt auf die Straße. Das fände ich sensationell. Es fühlt sich grade sehr angenehm danach an, als hätte jemand eine Handbremse gelöst. Ich freu mich drauf.
Da kann ich nur noch Amen sagen.
Danke André.
Danke Burkhard!
Der Art Directors Club (ADC) hat aus den Daten des...
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