© DHBW Ravensburg
29. Mai 2018

Behandeln wir Roboter mit Würde?

Die Macher des ADC Gewinnercases „Artificial Blues“ im Interview.

Behandeln wir Roboter und andere Maschinen mit Würde? Mit dieser provokativen Frage beginnt der Case-Film zu „Artificial Blues“ von Kerstin End, Christina Brandl, Kevin Jung und Jochen Wiech (Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg). Im Interview verraten sie alles zu ihrem spannenden Projekt, das im diesjährigen ADC Wettbewerb als Semesterarbeit einen Grand Prix abräumte!

Fünf Roboter verrichten in ihrer Videoinstallation eintönige und identische Arbeitsschritte im Takt eines ‚Worksongs’. Bis sie sich unbeobachtet fühlen. Denn in diesen Momenten beginnen die Roboter plötzlich spielerische Bewegungen in den Arbeitsablauf zu integrieren. Überraschend? Menschlich? In jedem Falle wirft die Installation viele Fragen auf – einige haben uns die Macher der Semesterarbeit beantwortet.

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Was war eure Inspiration/Arbeitsweise für die Entwicklung des Projekts?

Da unsere Installation im Zuge des dualen Studiums entstand, erhielten wir ein Briefing zum Thema “Künstliche Intelligenz”. Es folgten lange und intensive Diskussionen, woraufhin wir in unterschiedliche Richtungen recherchierten und irgendwann auf das Worker-Video gestoßen sind, welches uns zu diesem Vergleich inspirierte.

Wie entstand die Idee für solch eine Installation?

Wir wollten von der Situation nicht nur erzählen, sondern das Szenario erlebbar gestalten und uns somit von anderen Projekten abheben. In der Installation steht der Betrachter den Maschinenabbildungen unmittelbar gegenüber. Durch Bewegungen löst er Handlungsabläufe der Roboterarme aus, wodurch man intensiver in das Thema einbezogen wird.

Wie lief der Kreationsprozess ab?

Im Grunde hat die Ideenentwicklung den Löwenanteil des Projekts eingenommen. Etliche Konzepte und Ansätze wurden diskutiert und verworfen. Das Motto “Kill your Darling” haben wir sehr wörtlich genommen. Anfangs hatten wir lange Zeit keine Idee, wo wir hinkommen wollen. Wir wussten jedoch, dass wir die Zukunft des Zusammenlebens von Mensch und Maschine skizzieren möchten und dabei Fragen in den Raum werfen wollen. Unter Berücksichtigung der menschlichen Geschichte, im Bezug auf die Kolonialisierung, haben wir schlussendlich unseren Ansatzpunkt gefunden.

Wie lange habt ihr insgesamt an dem Projekt gearbeitet?

Das duale Studium ermöglichte uns eine Bearbeitungszeit von knapp drei Monaten. Da wir uns bis etwa zur Hälfte dieser Zeit noch mit zwei anderen Ideen beschäftigten, beschränkte sich die effektive Auseinandersetzung mit der Installation auf knapp 1,5 Monaten. Über das Studium hinaus, setzten wir uns erneut eine Woche mit dem Projekt auseinander, in der wir eine Adaption der Installation in den Technischen Sammlungen Dresden vornahmen.

Von der Würde von Maschinen zu reden, ist sicherlich auch irgendwo eine Provokation. Wie viel Gesellschaftskritik steckt in eurer Kampagne?

Mit Blick in die Vergangenheit und leider auch noch in die Gegenwart erkannten wir, dass der Mensch zur Unterdrückung und Ausbeutung neigt. Das Projekt soll jedoch primär kein Statement gegen Sklaverei allgemein darstellen, sondern den Betrachter zum Nachdenken anregen.

Bei allem was wir tun und was in der Zukunft passieren wird, sollten wir immer bedenken, dass wir fair spielen müssen. Wenn KI dann auch mal ein “Künstliches Bewusstsein” entwickelt und einen “Künstlichen Moralkodex” schafft, dann werden wir es schwer haben, dies zu ignorieren oder zu unterbinden. Wir sollten früh damit anfangen, dieses Bewusstsein und diesen Moralkodex mit zu definieren.

Glaubt ihr, dass Maschinen einen eigenen Willen haben oder haben werden?

Machine Learning heißt es ja, nicht Machine Programming. Zweiteres würde bedeuten, dass wir Maschinen vorgeben, was zu tun ist. Quasi ein automatisiertes Befolgen von “Wenn-Dann-Ketten”. Bei Machine Learning geben wir den Maschinen einen Input und erlauben ihnen Freiraum diesen Input zu verwenden, zu wachsen und sich auszubreiten. Was am Ende hinten raus kommt, steht infrage. Also ja, wir glauben, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass Maschinen irgendwann einen freien Willen haben werden, welcher zunächst jedoch von Programmierern eingeschränkt wird, weshalb der Wille der Maschine auf den des “Erschaffers” zurückgeführt werden kann.

Jochen Wiech nimmt den Preis für das Team auf der ADC Awards Show entgegen

Euer Zukunftsszenario: Wie sieht unsere Welt in 10 Jahren aus?

Gute Frage. Mit Bestimmung lässt sich das wohl nicht sagen, aber klar ist, dass sich der technische Wandel fortlaufend beschleunigt. Mittlerweile hat die Mehrheit der Menschen einen leistungsstarken Minicomputer in Form eines Smartphones in der Hosentasche. Ist es da unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Menschen in 10 Jahren Zugriff auf eine “eigene” Künstliche Intelligenz hat, die ihm verstärkt als Hilfskraft zur Verfügung steht?

Was sollte sich künftig in unserer Arbeitswelt ändern?

Fairness. Wir sollten alles, was wir machen fair machen und uns nicht über andere Menschen, Dinge oder ganze Gesellschaftsgruppen stellen.

Welche Learnings habt ihr für den Kreativ-Nachwuchs?

Wir haben gelernt, dass es schwierig ist, innovativ zu sein, weil wir nach Innovationen suchen. Wenn ihr etwas seht, was ihr besser machen könnt oder wenigstens seht, dass es nicht optimal ist, steckt genau an dieser Stelle das Innovationspotenzial.

Außerdem solltet ihr euch stets auf außergewöhnliche Ideen einlassen, den aktiven Austausch mit den verschiedensten Menschen führen und sich nicht von der Umsetzung bzw. neuen Aufgabenfeldern abschrecken lassen.

v.l. Nina Kirst (PAGE), Jochen Wiech, Sabina Hesse (ADC Junior Chairwoman)

Warum sollte man aus eurer Sicht an Nachwuchs / Kreativwettbewerben teilnehmen?

Es ist ein tolles Gefühl die Früchte seiner Arbeit zu ernten und mit anderen zu teilen. Außerdem ist es schön zu sehen, dass die verschiedensten Menschen Interesse an dem eigenen Projekt haben und mit den Leuten auf dieser Basis ins Gespräch zu kommen. Es ist eine gute Möglichkeit aus der Menge herauszustechen und immer wieder interessant, wie andere Designer mit dem gleichen Aufgabengebiet umgehen.

Verratet ihr uns noch, wie der ohrwurmtaugliche Musiktitel im Video lautet?

Der Song heißt „Early in the Mornin” und stammt aus einer Sammlung von Prison Songs des amerikanischen Musikforschers Alan Lomax.

Junior Grand Prix Gewinner für ‚Semesterarbeit’: „Artificial Blues“
Hochschule: Duale Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg
Einreicher: Kerstin End, Christina Brandl, Kevin Jung und Jochen Wiech

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