ADC Kreativranking 2024 – SERVICEPLAN auf dem ersten Platz
Der Art Directors Club für Deutschland (ADC) veröffentlicht sein jährliches...
2017 zeichnete der Art Directors Club Jan Böhmermann als Ehrenmitglied aus. Weshalb, das verrät die folgende Laudatio von Matthias Kalle.
Mit Jan Böhmermann kürte der ADC einen deutschen Satiriker, Autor, Produzenten sowie Hörfunk- und Fernsehmoderator. Die Begründung lieferte Matthias Kalle, deutscher Journalist und Buchautor in einer mitreißenden Laudatio. Beide verbindet eine langjährige Freundschaft und das Gefühl dafür, im richtigen Moment gesellschaftspolitisch relevante Pointen zu setzen. Hier dürfen wir die Rede veröffentlichen.
„Wenn ein Witz eine Staatskrise auslösen kann, dann ist das nicht das Problem des Witzes.“ So hat es Jan Böhmermann gesagt – und die Krisen, die er in den vergangenen Jahren ausgelöst hat, beweisen, dass es eine Menge Probleme gibt. Und dass die Probleme nicht weniger werden, sondern mehr.
Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht lautet:
Man kann diese Probleme offenlegen, sie ins Licht zerren, damit jeder sie sehen kann. Das kann man auf verschiedene Arten tun. Wir Journalisten erzählen von diesen Problemen. Und wir denken uns diese Probleme nicht aus. Auch wenn davon leider immer mehr Menschen überzeugt sind. Wir Journalisten suchen und finden Probleme und dann berichten wir darüber. Und eigentlich haben wir keine Lust mehr, dass den Menschen wieder und wieder zu erklären. Jan Böhmermann legt Probleme auf andere Weise offen, und dafür hat ihn der ADC zu seinem Ehrenmitglied ernannt, denn er zeige „immer wieder, wie Mut und Kreativität die Welt ein kleines bisschen verändern.“ Tatsächlich macht Böhmermann mit seiner Arbeit die Welt sogar ein kleines bisschen besser.
Wenn er die Diskussion über einen Finger des griechischen Politikers Varufakis in all seiner Absurdität offenlegt; wenn er das so genannte Engagement des Schlagersängers Campino hinterfragt; wenn er die ganze Dumpfheit eines Fernsehformats vorführt; wenn er durch ein – ja, auch irre lustiges – Gedicht – das ganze Land diskutieren lässt. Und auch, wenn er nach dem Terroranschlag von Paris auf Facebook einfach nur Fragen stellt. Das versteht man nur dann nicht, wenn man beim Feuilleton der „Welt“ arbeitet…
Aber was ist das eigentlich genau für eine Arbeit? Welchen Beruf hat Jan Böhmermann? In der Begründung des ADC sind auch die Berufe Böhmermanns aufgelistet – demnach ist er: Satiriker, Autor, Produzent sowie Hörfunk- und Fernsehmoderator. In einer biografischen Skizze, die Truman Capote über Humphrey Bogart erstellte, steht, dass Bogart Menschen in genau zwei Kategorien unterschied: In „Penner“ und in „Profis“. Für Bogart waren „Penner“ all diejenigen, die ihren Job nicht richtig machten – die anderen waren die Profis, so wie Bogart selber ein Profi war. Er konnte die Nacht durchsaufen und stand trotzdem geschminkt und textsicher pünktlich am Set. Er lieferte ab – und wer nicht ablieferte war eben ein Penner. Bogart wusste, dass seine Kunst vor allem Disziplin bedeutete. Jan Böhmermann mag vieles sein. Aber er ist vor allem: ein Profi. Einer von denen, die ihren Job machen. Die abliefern. Auf die Frage, wie man sich verhalten müsse, im Leben und überhaupt, gab Jan Böhmermann einmal eine Antwort von ewiger Gültigkeit. „Immer pünktlich sein und den Pförtner grüßen.“ Das war kein Witz. Das meint er ernst. Aber: Wo ist da eigentlich genau der Unterschied?
Böhmermanns Witz, sein Humor, sie sind eine ernste Sache, denn Böhmermann ist ein zutiefst moralischer Menschen. Ein moralischer Mensch mit einer Haltung. Und diese Haltung entsteht durch die Suche nach Antworten auf Fragen: Wie pralle ich auf die Welt, wie begegne ich ihr, wie begegne ich mir selbst, meinen Gedanken, meinen Gefühlen, meinen Hoffnungen und Sehnsüchten? Man kann da natürlich ohne Humor rangehen – nur sollte man es lieber nicht tun. Denn Humor baut nicht Distanz auf – er schafft Distanz ab.
Humor baut nicht Distanz auf – er schafft Distanz ab
Der Blick von Jan Böhmermann – und man kann diesen Blick ironisch nennen, nur leider wissen die wenigsten, was Ironie eigentlich ist – Böhmermanns Blick auf die Dinge des Lebens, erfordert nämlich zum einen ein genaues Hinsehen und zum anderen ein unbedingtes Zulassen. Ohne Erkennen keine Ironie, ohne Verstehen kein Witz. Natürlich ist die Ironie von Jan Böhmermann witzig, man muss lachen, es ist eine Bewegung des Herzens und Ironie macht es möglich über die schlimmsten Dinge zu lachen. Für Gegner der Ironie ist das natürlich eine Katastrophe, für die sind die Dinge streng nach witzig und nicht witzig eingeteilt. Aber wie ertragen sie das? Und wer entscheidet über diese Einteilung? Ironie kennt solche Grenzen gar nicht. Deshalb bedeutet Ironie auch Veränderungswillen und selbstständiges Denken. Ohne Ironie zu leben, bedeutet die Dinge hinzunehmen, sie zu ertragen, sie als gottgegeben zu betrachten. Ohne Ironie zu leben, bedeutet, sich nicht mehr zu wehren. Und Böhmermann wehrt sich. Er wehrt sich gegen Dinge, der er nicht in Ordnung findet. Sein Humor, seine Ironie bedarf deshalb der Wirklichkeit, sie funktioniert überhaupt nicht ohne. Ironie ist ein Sicheinlassen auf die Welt, eine klare Sicht auf die Welt. Und vielleicht ist Ironie dann eben doch auch ein
angemessener Zugang zur so genannten Wirklichkeit. Denn Ironie bedeutet auch an Wahrheiten zu zweifeln. Ironie ist nicht zuletzt auch ein Ausdruck der Verzweiflung.
Denn ein Ironiker wie Jan Böhmermann weiß eben nicht, wo er steht, sonst wäre er kein Ironiker, sonst würde er keine Ironie brauchen, um sich in der Welt zurechtzufinden. Die Leute wissen heute viel zu gut, wo sie stehen. Weltbilder schließen sich eher als dass sie sich öffnen. Schauen Sie mal bei Facebook nach, bei Twitter. Bei der AfD, bei Trump. Ironie ist eine Waffe, die man braucht, wenn es ernst wird. Sie hilft dem Schwachen gegen den Mächtigen, so wie sie früher dem schmalen Jungen auf dem Schulhof gegen die Sportskanone geholfen hat. Wir brauchen die Ironie, denn wenn wir sie haben, dann haben wir mehr Freiheit, mehr Solidarität, mehr Moral und mehr Menschlichkeit. Und deshalb brauchen wir Dich, lieber Jan Böhmermann.
Oder – um es mit den Worten einer völlig überschätzten amerikanischen Schauspielerin zu
sagen:
„Nimm Dein gebrochenes Herz – mach daraus einen Scherz.“
Über den Autor:
Matthias Kalle, geboren 1975, ist seit 2012 stellvertretender Chefredakteur des ZEITmagazins. Von 2003 bis 2008 war er Chefredakteur des Hauptstadtmagazins „zitty“, als Executive Editor Mitgründer der deutschen „Vanity Fair“. Von 2009 bis 2011 als freier Journalist tätig, hauptsächlich als Berater für „ZEITmagazin “, Kolumnist bei „Neon“ und Medienkritiker beim „Tagesspiegel“, Konzeption des Magazins für das „Deutsche Theater“. Er gewann den Axel-Springer-Preis und war nominiert für den Egon-Erwin-Kisch-Preis. 2017 erscheint sein Buch „Als wir für immer jung waren“ bei Fischer.
Der Art Directors Club für Deutschland (ADC) veröffentlicht sein jährliches...
Motion Design und Animation prägen die digitale audiovisuelle Medien- und...
Der ADC ist weltweit die erste Kreativ-Organisation, die Ageism (Altersdiskriminierung)...